Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Forschungskontext – Gesellschaftliche Relevanz

Familie ist ein sozialer Knotenpunkt unterschiedlicher Erfahrungen. Unabhängig von ihrer jeweils konkreten Gestalt ist sie von besonderer Bedeutung für die Herausbildung von Werten, kulturellen Praktiken und Mentalitäten. Dazu zählt auch die Weitergabe entsprechender Weltsichten und habitueller Prägungen. Religion ist Bestandteil dieser familiär weitergegebenen Traditionen. Wie für die meisten europäischen Industrieländer, so ist auch für Deutschland ein zunehmender Rückgang kirchlicher Bindungen zu konstatieren. In Ostdeutschland ist dieser Rückgang besonders gravierend, weil neben den generellen modernitätsbezogenen Ursachen nachlassender Kirchenbindung auch die Langzeitfolgen der kirchen- und religionsfeindlichen Politik des SED-Staates zu berücksichtigen sind. Der in Ostdeutschland anhaltenden Kultur der Konfessionslosigkeit entspricht die Studie    der EKD über die Lebens- und Glaubenswelt junger Menschen in Ost- und Westdeutschland, der zu Folge die schwächelnde Religiosität der Jüngeren den Kern der Reproduktionskrise der Kirche darstellt.

Generell muss freilich konstatiert werden, dass im Kontrast zur allgemeinen Konjunktur der Religionsforschung und der Bedeutungszuweisung an Familie als Sozialisationsagentur wenig empirische Befunde über den Zusammenhang von Familie und Religion und über Familienerziehung allgemein vorliegen. Dass entsprechende Forschungen besonders voraussetzungsvoll sind, liegt sowohl an der Komplexität von Familienerziehung als auch an der Flüchtigkeit von Religion. Beide entziehen sich einem direkten Zugriff und können eher über latente Sinnstrukturen und individuelle Deutungsmuster erhoben werden. Zugleich bedarf die Rekonstruktion der Transmission religiöser u.a. kultureller Einstellungen über mehrere Generationen hinweg besonderer Instrumente, die der Eigenart der jeweiligen Akteure hinsichtlich generationeller Lagerung, sozioökonomischem Status, Lebensstil etc. gerecht werden.

Die Untersuchungsergebnisse sind über den wissenschaftlichen Rahmen hinaus für eine Reihe gesellschaftspolitischer Themen relevant, die auch als Folgeprobleme des hohen Säkularisierungsgrades der ostdeutschen Gesellschaft gedeutet werden können, z.B. die Frage, wie sich Wertebildung sowie deren Habitualisierung und Tradierung vollziehen und welche Sozialisationsagenten dabei eine Rolle spielen. Es geht in diesem Zusammenhang auch um die Frage, inwieweit christliche Religiosität als Element der politischen Kultur einen protektiven Faktor für zivilgesellschaftliche Resilienz und gegen Extremismus darstellen kann. In einer gesellschaftlichen Perspektive werden damit auch Fragen wie Gemeinwohlorientierung, Offenheit für Pluralismus und sozialen Wandel, Nationalismus und Xenophobie thematisiert. Zugleich ist aus der politischen Kulturforschung bekannt, dass individuelle Vorstellungen von Familie starke Prädiktoren für politische Positionierungen sind.

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